Donnerstag, 24. Januar 2019

Get on Board-Vergleichstest Katamarane Sunsail 444 vs Modellnachfolger Sunsail 454


*Dieser Artikel enthält unbezahlte Werbung*


Moin liebe Freunde des Segelsports,

vor etwa drei Jahren hatte ich das Vergnügen, den Katamaran "Sunsail 444", aus dem Hause der renommierten Katamaran-Werft Robertson & Caine, im Auftrag von Sunsail testen zu dürfen. Damals ging es vorrangig darum, das Segeln mit einem Katamaran gegenüber dem Segel-Feeling mit einer Monohull ins Verhältnis zu setzen und die Schiffe in ihren grundsätzlichen Eigenschaften miteinander zu vergleichen. Drei Jahre später durfte ich in Sunsails Auftrag erneut Hand anlegen, konkret beim Modellnachfolger vom 444, dem Sunsail 454. In diesem Artikel soll es sich nun darum drehen, diese beiden direkten Modellgenerationen zu vergleichen, Katamaran vs Katamaran aus gleichen Hause. Haben die Konstrukteure das Schiff sinnvoll weiterentwickelt? Wurde Kritik, die ich in meinem damaligen Artikel beschrieb, behoben? Oder hat sich gar einiges eher verschlechtert? 



Bevor wir in die Materie einsteigen, möchte ich jedoch kurz auf einen kleinen, aber dennoch feinen Unterschied eingehen, der uns gleich zu Beginn unseres 454-Test-Törns in Griechenland positiv auffiel. 

Bei unserem drei Jahre zuvor stattgefundenen Test-Törn mit dem 444 stachen wir in Kroatien (Dalmatien) ab der Marina Agana in See. Der Service durch das Sunsail Team dort war einwandfrei und es gab absolut nix zu meckern. Ebenso bei einem anderen Törn mit einer Monohull von Sunsail ab Dubrovnik. So weit so gut.

Bei unserer Ankunft zum Test-Törn des neuen 454 in Griechenland (ab Korfu), gab es jedoch ein kleines Schmankerl, auf das ich kurz eingehen möchte. Hier fand für alle Schiffe übernehmende Skipper ein Briefing durch den Basisleiter statt. Das gehört dort zum festen Ablauf und hat sich als äußerst sinnvoll erwiesen. Die Skipper bzw. die Skipper-Teams werden im Briefing auf Besonderheiten des Reviers aufmerksam gemacht und erhalten Tipps aus erster Hand für Locations und Tavernen. Wir hatten uns im Vorfeld, wie wir das immer handhaben, ausführlich mit dem Revier befasst und eine Törnplanung auf die Beine gestellt. Das Briefing hat uns in unserer Planung bestätigt und gab uns noch einige gute Hinweise mit auf den Weg. Für andere Skipper, die, sagen wir mal, "ins Blaue segeln" und sich im Vorfeld weniger mit dem Revier befassen, auch wenn sie dort zum ersten mal unterwegs sind, ist das Briefing Gold wert. Das Briefing dauerte etwa 1,5 Stunden, während dessen erledigte unsere Crew den Einkauf, Aufgabenteilung par excellence ;).

Ich möchte Sunsail in jedem Fall empfehlen, darüber nachzudenken, solche Briefings standardmäßig an allen Basen nach dem Vorbild des Basisleiters auf Korfu durchzuführen. Wir waren jedenfalls davon begeistert.


Nun aber ans Eingemachte, meine Freunde! Als Struktur für diesen Bericht möchte ich meinen 444-Katamaran-Test von vor drei Jahren als roten Faden zu Grunde legen. Daher werde ich Zitate aus eben diesem herauspicken und darlegen ob diese auch für den 454 gelten bzw. was sich verändert hat. Der damalige Testbericht war darüber hinaus in die drei Kategorien "Leben an Bord", "Manövrierbarkeit" und "Segel-Performance" gegliedert. Diese möchte ich ebenfalls beibehalten. Legen wir los.




Leben an Bord


Zitat aus dem 444-Review - An Deck:

Wie lebt es sich an Bord eines Katamarans? Kurzum... wie ein junger Gott in Frankreich. Dieses Lob hat sich das Schiff redlich verdient. So kritisch man auch an die Sache herangeht, gibt es nur wenige Punkte in Sachen "Leben an Bord", an denen man herummäkeln kann. Zur Verfügung stehen Klimaanlage und Generator, eine geile Soundanlage, ein dreiflammiger Gasherd und ein Gefrierfach. Außerdem, und das ist das größte Plus in der Rechnung, ist vor allem eins vorhanden womit der Kat gegenüber einer Monohull gleicher Länge punkten kann und das ist Platz, Platz und nochmal Platz. Nicht nur, dass Salon und Kajüten üppig sind und man sich locker überall bequem aufrecht stehend bewegen kann, nein, man hat auch an Deck Platz ohne Ende. So gibt es ein vorderes Cockpit mit Klapptisch und Sicht voraus, mit einem Hardtop überdacht versteht sich. Dort lässt es sich ganz wunderbar aushalten. Das achterliche Cockpit bietet eine komplette Sitzgruppe und weitere Sitzgelegenheiten, ebenfalls mit einem Hardtop gegen Regen oder Sonne geschützt. Beide Cockpits sind bestückt mit Außenlautsprechern.Auf dem Vorschiff gibt es für Sonnenanbeter Liegefläche noch und nöcher, da kann man locker vom Dreifachen gegenüber dem Vorschiff einer Monohull sprechen. Besonders reizvoll ist auf dem Kat das Trampolin, gespannt zwischen den beiden Bugen liegt es sich hier sehr bequem während unter einem das Wasser durchrauscht. Wer schon mal mit dem Gedanken gespielt hat, seinen Schlafplatz in einer lauschigen Sommernacht im Freien an Deck aufzuschlagen, wird dort auf jeden Fall sein Glück finden.



Vergleich 444 vs 454:

Das Platzangebot wurde gegenüber dem 444 nochmal beeindruckend aufgebohrt, obwohl das Schiff nur einen Fuß länger wurde. Das vordere Cockpit wurde noch etwas geräumiger, und auch das Trampolin noch vergrößert. Die Backskisten, die sich nach wie vor vorn am Schiff befinden, haben nicht nennenswert an Größe verloren. Dort drin ist reichlich Platz für die Wassertanks, Fender und immer noch reichlich Reserve.

Hier im Vergleich:

Das Trampolin 444 vs 454





Hier das vordere Cockpit 444 vs 454:






Im achterlichen Cockpit hatte der 444 einen recht überschaubaren Tisch, der 454 hat hier sichtlich nachgelegt. Beim 444 konnten gerade so sechs, vielleicht sieben Personen sitzen. Beim 454 passen neun Leute recht bequem an den Tisch!







Zitat aus dem 444-Review - Salon:
Ein nennenswerter Kritikpunkt stellt eine fehlende Sitzbank am Salontisch dar. Dieser ist im Prinzip nur zu 50% nutzbar. Hier könnte man noch nachbessern. Eine unter den Tisch verschiebbare Sitzbank ohne Rückenlehne hätte sich angeboten. Das schmälert ein wenig die Harmonie an Bord, wenn das Schiff voll belegt ist, denn bei den Mahlzeiten können einfach nicht alle zusammen an einem Tisch sitzen und müssen sich auf Salon und/oder Cockpits aufteilen. Der Salontisch muss außerdem als Kartentisch herhalten, denn es gibt keine Navigationsecke im Salon. Dafür lässt er sich aber schnell zu einer großzügigen und sehr bequemen Doppelkoje umbauen. Echt, ich hab´s ausprobiert, war ziemlich bequem. Das ist vor allem für den Skipper interessant, wenn man beispielsweise in einer Bucht vor Anker liegt und über Nacht nah am Geschehen bleiben möchte, um ein wachendes Auge auf Schiff und Crew zu haben.


Vergleich 444 vs 454:


Der Salon wurde beim Update auf den 454 komplett überarbeitet. Der Salontisch ist nun immerhin zu dreivierteln nutzbar, die verschiebbare Sitzbank, um ihn voll nutzbar zu machen, fehlt leider auch beim 454, für mich nach wie vor unverständlich. Natürlich ist der Tisch auch wie auf dem 444 zur Doppelkoje umbaubar. In seiner Größe hat er sich nicht verändert. Sehr positiv sticht ins Auge, dass es wieder einen vollwertigen Kartentisch gibt und nicht der Esstisch verwendet werden muss. So kann der Skipper alle notwendigen Utensilien im Kartentisch unterbringen, die beim 444 sonstwo verstaut werden mussten und gleichzeitig blockiert man bei etwas Kartenarbeit nicht den Salontisch. Der Salon an sich wurde nicht größer gegenüber dem 444, alleine das Überdenken des Salon-Layouts und dessen schlaue Neuanordnung verschafft diese spürbaren Veränderungen. Hier wurde meine Kritik fast gänzlich behoben.


Außerdem wurde der Salon (der Innenausbau generell) optisch den mordernen Farben und Hölzern angepasst. Also weg vom dunkleren Holz und schwarzen Oberflächen hin zu hellen Hölzern und grauen Oberflächen. Dadurch wirkt alles offener und größer. 

Apropos offen: Bei der Überarbeitung des Salons floss eine erhebliche Erweiterung der Fensterflächen ein. Nicht nur die vorhandenen Fenster und Schiebetüren des 444 wurden massiv vergrößert, es wurden zudem auch getönte Scheiben in das Salondach eingesetzt. Sich beim Segeln oder vor Anker liegend im Salon aufzuhalten, ist auf dem 454 eine Wucht. 


Hier der Vorher-Nachher-Vergleich:

444:






454:






Zitat aus dem 444-Review - Kühlschrank, Stauraum und Kajüten:
Der Kühlschrank bietet auch etwas Spielraum für Kritik. Er war für unseren Geschmack etwas zu klein. Wir mussten schon bissl Tetris spielen und genau abwägen, was nun wirklich gekühlt werden muss und was nicht. Getränke mussten stetig nachgelegt werden. Auf das Gefrierfach, genauso groß wie der Kühlschrank, hätten wir getrost verzichten können. Das ist natürlich crewabhängig und ein Gefrierfach bietet durchaus Vorteile. So konnten wir zwar praktischerweise Hackfleisch einfrieren, hätten uns aber den Platz, den das Gefrierfach einnimmt, oft für den Kühlschrank gewünscht. Versorgt wird der Kühlschrank von einer eigenen Batterie, gespeist durch zwei Solarpanels auf dem Hardtop. Er kann also rund um die Uhr laufen und belastet nicht den Energiehaushalt des Schiffs und dessen andere wichtige Bordsysteme. Sehr cool gelöst!

Außerdem gibt es ordentlich Stauraum für Gepäck in den Kajüten. Problemlos kann man seine Habseligkeiten verstauen und hat sogar noch Reserven, vollkommen ungewohnt. Für Proviant hätten wir uns im Salon noch das eine oder andere Eckchen gewünscht, wo wir hätten mehr, gegen Herumfallen gesichert, unterbringen können. Gegenüber der Monohull fehlte es an Schapps oder eben an besagter verschiebbarer Sitzbank am Salontisch, die sich zusätzlich als Stauraum angeboten hätte. Mangelware waren außerdem Haken an Wänden und Schotten um daran Klamotten aufzuhängen. Das ist aber auf Monohulls auch nicht unbedingt Gang und Gäbe.



Vergleich 444 vs 454:

Das Manko mit dem Kühlschrank besteht leider unverändert immer noch. Für uns war es auch auf dem 454 schwierig, alle Lebensmittel und ausreichend Getränke zu kühlen. Das ständige Nachlegen von Getränken ist schon etwas nervig, vor allem mit großen Crews. Das Gefrierfach verwaiste erneut mehr oder weniger und wäre als reguläres Kühlschrankvolumen sehr willkommen gewesen. Das ist aber abhängig von der Crewgröße und -vorlieben. Nach wie vor befindet sich ein Solarpanel auf dem Salondach, das den Energiehaushalt des Schiffs positiv und ökologisch unterstützt.


Beim Thema Stauraum wurde zugelegt. Sowohl im Salon, als auch in den Kajüten. Im Salon wurde Stauraum im Boden generiert, indem die Notausstiegsluke (bei einer Kenterung relevant) vom Salonboden, unter die Niedergänge verlegt wurde. Meiner Meinung nach wurde dadurch nicht nur die Sicherheit der Crew im Notfall verbessert, eigentlich der wichtigere Aspekt, sondern eben auch recht einfach Stauraum im Salon für ungekühlte Lebensmittel generiert. Allerdings fehlt es immer noch gegenüber einer Monohull an Schapps.


Die Stauraumzunahme in den Kajüten hat mich beeindruckt. Auf dem 444 hatten die beiden, wegen der Rumpfform etwas kleiner geschnittenen, Bugkajüten jeweils ein Vorpiek (eine Art Alkoven), in das man ordentlich bunkern konnte. Eigentlich sind die Vorpieks im Riss als Kojen ausgewiesen, was ich für sehr optimistisch halte, da man da bestenfalls ein Kind unterbringen kann. Beim 454 sind die Vorpieks als Stauraum für die Bugkajütenbesatzung verschwunden. Sie wurden zu einer "Skipperkoje" und einer kleinen Nasszelle (ohne Dusche), verteilt auf die beiden Buge, umfunktioniert. Dies halte ich grundsätzlich für eine sinnvolle Änderung, da die beiden Vorpieks nun ohne weiteres von einem Crewmitglied bewohnt werden können und Privatsphäre gegeben ist. Dennoch steht innerhalb der Bugkajüten ausreichend Stauraum zur Verfügung, um das Reisegepäck zu verstauen. Wie auf Kats üblich, steht in den achterlichen Kajüten etwas mehr Stauraum, aufgrund der größeren Breite, zur Verfügung.


444:





454:






Zitat aus dem 444-Review - Bordgefühl und Steuerstand:
Das ganze Feeling an Bord des Katamarans ist stark davon geprägt, dass alles extrem bequem ist, man viel Platz und Bewegungsspielraum hat und stets ein gemütliches Plätzchen findet, vollkommen wurscht welches Wetter gerade herrscht. Niemand muss wie auf der Monohull bei schlechtem Wetter und Seegang schnell auf die beiden trockenen Plätze unter der Sprayhood hechten oder sich im Salon unter Deck ne Portion Übelkeit holen, um nicht im Regen sitzen zu müssen.

Auch der Steuerstand ist mit einem Hardtop überdacht und kann nach vorne mit einem Regenschutz verkleidet werden. Der Regenschutz besteht aus transparenter Folie. Ich persönlich habe ihn nicht benutzt, ich mag es aber auch wenn mir das Wetter mal ordentlich die Meinung ins Gesicht geigt und die Sicht voraus nicht durch die Folie getrübt wird. Andere Skipper und Rudergänger werden den Regenschutz aber geschmacksabhängig zu schätzen wissen.

In Puncto "Leben an Bord" hat also, verglichen mit der Monohull, der Katamaran klar die Nase vorn, daran lässt sich nix rütteln. Das Platzangebot und die Bewegungsfreiheit sind einfach unschlagbar und jeder Törn mit einer Monohull fühlt sich verglichen damit an wie ein Ausflug in die Konservenbüchse, vor allem bei einem Törn mit eher schlechtem Wetter.

Die angeführten Kritikpunkte sind eher kosmetischer Natur, ich meckere hier auf hohem Niveau. Gegen die Vorzüge dieses Katamarans kann keine Monohull gleicher Länge anstinken. Nur wegen nem größeren Kühlschrank und der fehlenden Sitzbank würde ich nicht den Kat sausen lassen, wenn ich die Wahl hätte.



Vergleich 444 vs 454:

Obiges Zitat gilt unabgeändert auch für den 454. 

Beim Steuerstand sei noch erwähnt, dass hier die Anordnung der Instrumente verändert wurde. Der 444 hat am Steuerstand drei Winschen, eine davon elektrisch. Der 454 hat die drei Winschen näher beieinander angeordnet und es sind nun zwei davon elektrisch, was sehr begrüßenswert ist.  


Der 444-Steuerstand:





Der 454-Steuerstand:









MANÖVRIERBARKEIT


Zitate aus dem 444-Review:

Beim Thema Manövrierbarkeit erwarten jeden Skipper, der einen Katamaran mal ausprobieren möchte, die größten Überraschungen. Was geht einem denn vor der ersten Katamaran-Charter so durch die Birne? Erst mal das, was meist auf Törns das Kniffligste ist, nämlich Hafenmanöver: "Das Teil ist verdammt groß! Oha, kein Bugstrahlruder?", "Oh Mann, so viel Windangriffsfläche und so wenig Tiefgang! Der vertreibt doch bestimmt schnell!", "Lässt der sich bei Fahrt achteraus so steuern wie eine Monohull?", "Wie läuft das überhaupt beim Anlegen?", "Aha, es gibt zwei Gashebel und zwei Maschinen, überfordert mich das nicht im Hafen?".
Solche Fragen schossen mir so durch den Kopf. Ich hab mir dann erst mal ein günstiges, aber sehr gutesBüchlein bestellt und gemütlich zwei mal durchgemacht. Das kann ich jedem, der zum ersten Mal mit einem Katamaran an den Start gehen will ans Herz legen. Ich gehe gleich noch auf die Besonderheiten und Aha-Effekte ein. Auf jeden Fall, so viel verrate ich schon mal vorab, ist der Katamaran im Hafen easy zu manövrieren! Wesentlich einfacher als eine Monohull. Unter der Voraussetzung, dass man sich vorher mit der Materie beschäftigt und bissl verinnerlicht hat, was beim Kat anders ist und warum. Das ist wirklich keine Raketenwissenschaft und leicht zu verstehen wenn man Monohulls gewohnt und damit so manches Hafenmanöver gefahren ist.
Die beiden dicksten Überraschungen, mit denen zumindest ich nicht gerechnet hatte, sind, dass die verhältnismäßig kleinen Ruder im Hafen völlig wurscht sind und man sich nicht kontinuierlich in Fahrt befinden muss, um manövrieren zu können. Auf Mittelstellung arretiert hockt das Ruder auf der Ersatzbank. Die beiden Maschinen lassen im Hafen alleine ihre Muskeln spielen und man bewegt und steuert den Kat ausschließlich mit den beiden Gashebeln.


Zunächst klingt das für Monohull-Segler total abstrus, gibt einem aber viele Möglichkeiten an die Hand. Dazu gleich mehr. Dass man sich nicht konstant in Fahrt befinden muss, um manövrieren zu können hängt damit zusammen, dass man das Ruder nicht benutzt. Man braucht ja keine Anströmung ans Ruder! Durch verschiedene Kombinationen der Gashebelstellungen kann man den Kat beliebig und in Ruhe im Hafen, selbst auf engem Raum manövrieren. Drehen auf der Stelle ist ein Kinderspiel, Kurven in beliebigen Radien fahren, den Kat um einen der beiden Rümpfe drehen oder während leichter Fahrt voraus schon beidrehen lassen. Das alles geht nach einer schnellen Eingewöhnungsphase schnell in Fleisch und Blut über und das Schöne dabei: Man kann diese einzelnen Steuerbefehle miteinander kombinieren und jederzeit der Situation anpassen. Nach wie vor werdet ihr euch nun vielleicht fragen: "Ist ja alles schön und gut... aber warum zum Geier kann ich den Steg nicht wie gewohnt achteraus mit dem Ruder ansteuern?". Ganz einfach, oben habe ich es schon angedeutet. Die Ruderblätter sind ziemlich klein und gerade zu mickrig verglichen mit denen von Monohulls. Daher sind die Blätter zwar in der Vorwärtsfahrt gut zu gebrauchen, aber nicht potent genug, den Kat im Rückwärtsgang im gewünschten Maß zu drehen. Dazu müssten die Blätter tiefer gehen, was aber den wenigen Tiefgang zunichte macht oder weiter nach achtern ausgestellt sein, was aber enorme Kräfte in die Ruderwellen und alle weiteren beweglichen Teile in der Ruderanlage einleiten würde. Kurzum, die Katamaran-Designer, und zwar allesamt, haben sich was bei den kleinen Ruderblättern gedacht und unsereins muss nun mal damit zurecht kommen.
Der Kat reagiert prompt, präzise und spontaner als eine Monohull gleicher Größe, man ist ja auch mit weniger Gewicht unterwegs. Am Ende des Wochentörns hatte ich das Gefühl, ich könnte das Schiff zentimetergenau bugsieren. Daher wird ein Bugstrahlruder auch überhaupt nicht benötigt. Wenn das Vorschiff mal unter Windeinfluss wegdriftet, gleicht man das spielend aus, indem man einseitig etwas mehr Gas gibt und schon kommt das Vorschiff wieder auf Kurs.
Für mich war das Manövrieren mit dem Kat im Hafen das reinste Vergnügen. Wenn ich eine Monohull in der gut besuchten Marina achteraus einparke geht mir weit mehr die Pumpe. Nicht das ich davor Muffensausen hätte eine Monohull einzuparken, aber ich bin doch wesentlich angespannter.
Angenehm, zumindest im Falle dieses Kat-Modells, ist die Tatsache, dass er erstaunlich wenig vertreibt. Fast wie auf Schienen folgt er meinen Steuerbefehlen. Wenn auch wenig Tiefgang, hat man ja doch durch die beiden Rümpfe einen enormen Lateralplan als Widerstand im Wasser. Wie das Unterwasserschiff und damit der Lateralplan konstruiert ist, hängt natürlich vom jeweiligen Katamaran ab, daher kann ich diese Aussagen auch ausschließlich für den Sunsail 444 aka Leopard 44 treffen. Andere Katamarane können sich durchaus anders verhalten.

Natürlich kann man das Ruder zusätzlich einsetzen und die Blätter mit Gasstößen anströmen, um das Heck des Kats noch etwas zurechtzurücken. Man darf aber nicht vergessen bei Rückwärtsfahrt das Ruder auf jeden Fall wieder in Mittelstellung zu arretieren. Ansonsten schlagen die Ruderblätter, wie bei der Monohull auch, gegen Anschlag wenn man sich wieder den Gashebeln zuwendet... damit tut man seinem Manöver und der Ruderanlage keinen Gefallen. Worauf beim rückwärts Anlaufen auf den Steg unbedingt geachtet werden sollte, ist, dass man nicht beim Eindampfen in die Moorings die Sorgleine am Steg ansaugt und in die Schrauben bekommt. Die Ruder und damit auch die Schrauben befinden sich beim Kat unmittelbar am Schiffsheck und nah an der Wasseroberfläche. Hier hat die Monohull einen gewissen Vorteil, da ihre Schraube ziemlich weit unterm Schiff liegt.
Die beiden Schrauben laufen gegenläufig, damit gibt es auch keinen Radeffekt mit allen Vor- und Nachteilen.
Der geringe Tiefgang erlaubt es beim Ankern in seichten Buchten ganz prominent an allen Monohulls vorbei zu brummen und ganz hinten, wo es am schönsten ist, zu ankern. Den Schwojradius sollte man dabei aber nicht außer Acht lassen. Da wären wir auch schon beim Thema "Ankern" und damit bei "Festmachen an Bojen" angekommen. Auch hier hat der Kat gegenüber Monohulls Besonderheiten.
Man liegt an einem Hahnepot vor Anker und Boje um das Schwojverhalten des Kats zu stabilisieren. Zum Ankern ist der einfach zu handhabende Hahnepot bereits am Schiff vorinstalliert. Vor Boje muss man einen Hahnepot mit Festmachern und den beiden Bugklampen selbst herstellen. Das geht schnell und einfach. Es ist jedoch nicht damit getan, einfach eine Leine durch den Ring an der Boje zu ziehen und auf beiden Bugklampen zu belegen, so viel sei verraten.
Der Kat, auch hier treffen meine Aussagen aus der Erfahrung heraus nur auf das von mir gesegelte Katamaran-Modell zu, schwojt sehr langsam und stabil. Während alle Monohulls in der Bucht recht mobil vor Anker unterwegs sind, lässt sich unser Schiff nur behäbig dazu herab Wind und Welle Folge zu leisten.


Ein bissl Mecker muss der 444 aber nun doch von mir einstecken. Der etwas erhöht angebrachte Steuerstand liegt an Steuerbord. Das ermöglicht zwar das große Platzangebot im achterlichen Cockpit, bringt aber den Nachteil mit sich, dass man dadurch nicht sehen kann, wo das Schiff an Backbord abschließt bzw. was sich dort auf Relinghöhe abspielt. Vor allem beim Anlegen ist das natürlich ein Thema und man braucht an Backbord einen guten Ansager, der einen auf dem Laufenden hält. Nach achtern hat man beide Hecks vom Steuerstand aus, wenn auch in gebückter Haltung, aber gut im Blick und kann mit vertretbarer Übersicht an den Steg heranfahren. Das war es auch schon mit meiner Kritik am Katamaran in Sachen Manövrierbarkeit.
Unterm Strich kann man festhalten, dass der Katamaran vor allem in den kniffligeren Situationen wie z.B. im Hafen klar im Vorteil ist.



Vergleich 444 vs 454:

Hier gibt es nix hinzuzufügen. Gegenüber dem 444 hat sich zum 454 nichts nennenswertes bei der Manövrierbarkeit verändert. Was beim 444 schon durchweg topp war, ist das auch beim 454, und was beim 444 etwas knifflig war, wie die Übersicht vom Steuerstand aus, ist auch beim 454 nicht besser geworden. Es stehen allerdings mehrere fest installierte Mini-Kameras zur Verfügung, die man am Plotter durchschalten kann. Mir persönlich war das weniger eine Hilfe, ist aber besser als nichts und immerhin eine kleine Optimierung gegenüber dem 444.






SEGELPERFORMANCE


Zitate aus dem 444-Review:

Katamarane sind ja irgendwie als unsportlich verschrien. Jedenfalls wenn es sich um Fahrten-Katamarane handelt. Würde das mal einer von Hobie Cats oder den Geschossen vom America´s Cup behaupten, würde man ihn ohne Umschweife auslachen. Warum sollen dann eigentlich Fahrten-Katamarane ausgerechnet unsportlich sein? Weil sie nicht krängen? Weil sie viel Platz bieten und man nicht wie auf der Monohull unter Segeln hauptsächlich in der Plicht hockt? Keine Ahnung. Wir haben den Katamaran eine Woche gesegelt und uns ein Bild gemacht. Klar, er krängt nicht, daran lässt sich nix ändern und für wen Krängung der Inbegriff des sportlichen Segelns ist, der wird auf einem Katamaran nicht sein Glück finden. Aber ist nur Krängung ein Indiz für sportliches Segeln? Ich möchte da noch ein paar Dinge mehr in die Waagschale werfen. Zum Beispiel ist Segeln ein Mannschaftssport. Beim Kat laufen zwar alle Fäden im Steuerstand zusammen, sodass der Rudergänger oder Skipper alles mehr oder weniger alleine machen könnte, was aber der reinste Stress ist. Wir hatten uns auf unserem Törn generell für Manöver oder das Heißen und Bergen der Segel so aufgeteilt, wie wir das auch auf einer Monohull immer machen. Wir haben einen Rudergänger, einen Vorschoter und einen Großschoter und natürlich noch die Jungs am Baum die darauf achten, dass das durchgelattete Groß sauber hoch bzw. runter läuft und nicht in den Lazy-Jacks hängen bleibt. Auch auf die Reffleinen muss man dabei ein Auge haben. Es gibt also, genau wie auf der Monohull, viele Dinge auf die man achten muss, wenn´s ans Segeln geht. Hier braucht man nicht nach der Unsportlichkeit zu suchen, die versteckt sich hier meiner Meinung nach nicht.


Der Kat ist auch bei wenig Wind unter optimalem Kurs zum Wind ziemlich flott unterwegs und setzt locker 7 kn Wind in 4,5 kn Fahrt um. Bei mehr Wind geht natürlich auch mehr. Auf den normalen Yachten, mit denen wir bisher auf Törn waren, hätte ich die Segel bei 7 kn Wind nur zu Übungszwecken rausgeholt. Und Überraschung, Überraschung, der Katamaran schaukelt und nimmt die Wellen mit, weit mehr als wir erwartet haben. Sind wir mal ehrlich, bei jedem Segler unter uns schlägt doch das Herz höher, wenn wir bei schönem Wind und Welle auf Am-Wind-Kurs mit möglichst viel Fahrt durch die See zischen. Sich dabei das Schiff auf und ab durch die Wellen schneidet und auch mal ne Ladung Gischt übers Vorschiff kommt. Warum sollte das auf einem Kat anders sein? Das macht da genauso viel Bock wie auf der Monohull, nur mit noch mehr Fahrt und halt wenig Krängung. Auch hier findet man keine Unsportlichkeit, es sei denn man nagelt sich an der fehlenden Krängung fest.

Mir ist zu Ohren gekommen Katamarane gingen bei Wenden schlecht über Stag. Auch haben Vögelchen vom Dach gepfiffen man käme nicht so hoch an den Wind. Diese beiden Probleme können Kats durchaus haben. Das hängt ganz davon ab wie weit innen bzw. außen die Holepunkte für das Vorsegel angeschlagen sind. Je weiter außen, desto weniger Höhe kann man laufen und desto schlechter geht er über Stag weil vorher einfach die Bewegungsenergie längst verbraten ist.

Bei unserem Kat sind diese Probleme nicht gegeben, denn die Schiffs-Designer haben mitgedacht und die Holepunkte recht weit innen angeschlagen. Das Groß ist mit einer doppelten Großschot versehen. Beides gibt uns alles an die Hand was wir brauchen um genauso viel Höhe zu laufen und lockere Wenden zu fahren.

Was mit dem Kat nicht so gut geht sind Raumschots oder Segeln vor dem Wind. Das ist konstruktiv bedingt. Die Wanten sind weiter nach achtern gezogen als auf Monohulls und verhindern dadurch, dass man das Groß weit auffieren kann. Es liegt dann recht früh an den Wanten an und das sollte man vermeiden, das tut keinem Segel und schon gar nicht den Latten gut. Hier hat eine Monohull die Nase vorn. 

Etwas hinderlich beim Segeln auf Steuerbordbug ist die Position des Steuerstandes. Man hat als Rudergänger dann keine Sicht ins Groß weil der Baum direkt über einem die Sicht versperrt. Aber wenn man´s sportlich sieht ist das eher das Problem vom Großschoter. Außerdem schaut man vom Steuerstand aus auf Steuerbordbug in die Fock und sieht damit nicht all zu gut, was vor dem Schiff vor sich geht. Ähnliche Probleme hat man auf einer Monohull aber auch und braucht ohnehin jemanden, der ab und an mal vor der Fock den Blick schweifen lässt.
Was mich überrascht hat ist, dass trotz der hohen Position vom Steuerstand das Steuerrad über eine Kette mechanisch mit den Blättern verbunden ist und man damit beim Segeln genauso wie gewohnt direkt spürt, was Sache ist.

Wo hat sich nun also die Unsportlichkeit im Kat verkrochen? Wir haben sie nicht wirklich gefunden. Wie man die Fakten und unsere Erfahrungen auch dreht und wendet, man kann, mal abgesehen vom Thema Krängung, dem Kat keine Unsportlichkeit vorwerfen. Vielleicht verwechselt man leicht Unsportlichkeit mit Bequemlichkeit, diese hat man wie gesagt auf dem Katamaran in allen Lagen im Überschuss. Identische Situationen fühlen sich mit einer normalen Yacht intensiver an weil es einfach enger ist, man mehr aufeinander sitzt, sich bei Seegang eher nicht im Salon aufhalten kann und die Krängung das noch verstärkt. Egal was los ist, der Kat fühlt sich einfach entspannter an.



Vergleich 444 vs 454:

Auch beim Segeln und der Sportlichkeit kann ich dem 454 nichts negatives nachsagen. Er segelt sich schön und flott und wenn man die Crew beim Segeln einbinden möchte, ist das während der Manöver problemlos möglich. Nach wie vor ist es Empfindungssache wie man das Segeln mit dem Katamaran wahrnimmt. Die fehlende Krängung, der viele Freiraum und Komfort an Bord verleiten dazu den Katamaran als unsportlich zu empfinden, obwohl die Aufgabenverteilung und die Anzahl der in Manöver eingebundenen Crewmitglieder gleich derer Monohulls ist. Die Segelerfahrung mit einem Katamaran fühlt sich auf jeden Fall anders an, aber nicht schlechter oder besser, sondern einfach anders. Viele schwören auf Kats oder nur auf Monohulls. Wir finden die gesunde Mischung ansprechend und je nach Crewbeschaffenheit eignet sich eher das Eine oder andere Andere besser.









FAZIT DES VERGLEICHS

Der 454 ist ein tolles Schiff, und es wurde als Modellnachfolger zum bereits auf hohem Niveau agierenden 444, nochmal eine ordentliche Schippe drauf gelegt. Die Konstrukteure haben ordentlich Hirnschmalz in die Überarbeitung gesteckt, viele sinnvolle Verbesserungen wurden eingebracht ohne spürbare Kompromisse einzugehen. Fast meine gesamte Kritik am 444 wurde ausgebügelt. Die Sache mit dem Kühlschrank und der immer noch fehlenden verschiebbaren Sitzbank verzeihe ich dem 454 gerne und kann euch das Boot nur empfehlen.



Als kleine Schmankerl zum Abschluss, möchte ich euch noch meine beiden Törn-Videos vom 444 und dem 454 unter die Nase reiben. Sie zeigen beide Schiffe in Bewegung und vermitteln so einen dynamischeren Eindruck, als die Bilder dieses Artikels.


444 in Kroatien (Dalmatien):





454 in Griechenland (Korfu):







Ich hoffe euch hat mein Vergleichstest gefallen und er hilft euch weiter. Ich freue mich wenn ihr mir eure Gedanken und Meinungen in die Kommentare schreibt.


Euer Markus



Anmerkungen:

Der 444, als auch der 454 wurden mir von Sunsail kostenlos zur Verfügung gestellt. Meine Meinung und Objektivität sind davon unbeeinflusst. 

Einige Bilder im Artikel haben meine Kumpel Stefan S. und Christian M. geschossen und mir zur Verfügung gestellt. Dafür danke ich euch :)


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